Die Gründung von Renovabis erfolgte unter dem Eindruck des Zusammenbruchs der kommunistischen Systeme und der sowjetischen Hegemonie in Mittel- und Osteuropa. 1989 fiel der „Eiserne Vorhang“. Freie, plurale und offene Gesellschaften begannen sich zu bilden, in denen mit der Wiederherstellung der Glaubens- und Gewissensfreiheit auch der Entfaltung des kirchlichen und religiösen Lebens neue Wege eröffnet wurden. Die Möglichkeit zur Selbstorganisation kirchlicher und gesellschaftlicher Gruppen und Bewegungen war da. Der Kollaps der planwirtschaftlichen Systeme offenbarte allerdings auch die Notwendigkeit einer grundlegenden wirtschaftlichen Transformation und einer Umgestaltung der sozialen Sicherungssysteme, die freilich für zahllose Menschen gravierende Umstellungen, für viele von ihnen auch eine Verschlechterung ihrer materiellen Lage brachte. Die mit der neuen Situation verbundenen Herausforderungen veranlassten 1993 die deutschen Bischöfe, insbesondere auch auf Initiative des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Renovabis als „Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa“ ins Leben zu rufen.
Renovabis wollte und will Antwort der katholischen Kirche im wiedervereinigten Deutschland auf die große und unverhoffte Wende in Europa sein. Konstitutiv für die neue Aktion waren und sind vor allem drei Elemente: der Gedanke der Grenzen überwindenden Solidarität, der partnerschaftliche Ansatz und der Bezug auf Europa. Das Prinzip der Solidarität verweist auf die Verankerung des Auftrags von Renovabis in der katholischen Soziallehre. Es steht für das Eintreten des Stärkeren für den Schwächeren im Dienst am Gemeinwohl im größeren Horizont des zusammenwachsenden Europa. Zentral ist auch der partnerschaftliche Ansatz von Renovabis: Renovabis versteht sich als Solidaritätsaktion mit den Menschen im Osten, nicht nur für diese. Damit war von Anfang an der Anspruch vorgegeben, zusammen mit den Partnern in den östlichen Nachbarländern gemeinsam an der Zivilgesellschaft des Europas von Morgen zu bauen.
Auch in Deutschland ist die Aktion partnerschaftlich ausgerichtet in ihrem Bemühen um das Initiieren und Begleiten von Partnergruppen als Beitrag zum Dialog, zum Austausch und zur Begegnung zwischen Ost und West. Dieser Auftrag bleibt auch heute, inmitten einer neuen schweren Krise der europäischen Integration und der Bedrohung der seit 1989 entstandenen völkerrechtlichen Grundlagen ausgehend vom Konflikt in der Ukraine, so aktuell wie zur Zeit der Gründung von Renovabis.
Vor der Gründung von Renovabis
Bereits in der Zeit des „Kalten Krieges“ unterstützten die deutschen Katholiken die Kirchen in Mittel- und Osteuropa - wenngleich solche Hilfe nur im Verborgenen möglich war. 1970 wurde der Europäische Hilfsfonds (EHF) in Wien eingerichtet. Damit halfen die deutsche und die österreichische Bischofskonferenz den östlichen Nachbarländern. Allein 40 Mio. DM (ca. 20,45 Mio. Euro) standen dafür aus deutschen Kirchensteuermitteln zur Verfügung.
Die Wende 1989/‘90
Mit der Wende eröffneten sich beinahe von einem Tag auf den anderen neue Möglichkeiten, den Menschen in ihrer Umbruchssituation direkt von Deutschland aus zur Seite zu stehen. Die Anregung zur Gründung von Renovabis gab das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).
Die Aktion sollte, „eine Antwort der deutschen Katholiken auf den gesellschaftlichen und religiösen Neuanfang in den Staaten des ehemaligen Ostblocks nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme“ sein. In den 1992 von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) verfassten „Leitgedanken zu einer Partnerschaftsaktion deutscher Katholiken für europäische Solidarität von Ost und West“ heißt es deshalb:
Für die katholischen Christen in Deutschland stellt sich eine neue große Aufgabe europäischer Solidarität, die nur dann erfüllt werden kann, wenn sie von vielen Frauen und Männern, Familien, Gruppen, Verbänden und Gemeinden aktiv mitgetragen wird und in eine breite Bewegung der Solidarität einmündet. Es geht um großherzige, finanzielle und materielle Unterstützung, um personelle Zusammenarbeit und um Erfahrungsaustausch und Dialog in mannigfachen Formen und auf vielen Ebenen, Aufgaben, die viel Mut, Ausdauer, Innovation und Kreativität erfordern …
Gründung von Renovabis
Am 3. März 1993 wurde Renovabis von der deutschen Bischofskonferenz als „Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa“ gegründet; am 1./2. Mai 1993 stellt Renovabis sich zum ersten Mal der deutschen Öffentlichkeit vor. Unter der Leitung von Weihbischof Leo Schwarz wurde diese erste Aktion durchgeführt und Informationsmaterialien an Pfarreien, Diözesen, Verbände und an die Presse geschickt.
Wechsel des Sitzes der Geschäftsstelle von Trier nach Freising
Im Mai 1993 nahm die Renovabis-Geschäftstelle in der Abtei St. Matthias in Trier ihre Arbeit auf. Im September 1993 bezog sie dann größere Räumlichkeiten in Freising. Im dort ansässigen Bildungszentrum Kardinal-Döpfner-Haus der Erzdiözese München und Freising hatte die Renovabis-Geschäftsstelle bis April 2021 ihren Sitz.
Umzug in das Marstallgebäude auf dem Domberg im April 2021
Im Zuge der Bau- und Sanierungsmaßnahmen ist die Geschäftsstelle in das benachbarte Marstallgebäude auf dem Domberg gezogen (Domberg 38/40).
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Lebendige Solidarität und Partnerschaft - Zur Entstehung von Renovabis (PDF, 50 kB)
Lebendige Solidarität und Partnerschaft. Zum 20. Geburtstag von Renovabis. (Dr. Friedrich Kronenberg)
Vor 20 Jahren gründeten die deutschen Katholiken Renovabis, die Solidaritätsaktion mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa. Am Beginn stand der Wunsch der organisierten Katholiken aus ganz Deutschland, der vom ZdK aufgegriffen und mit Nachdruck vorangetrieben wurde.
Ein Artikel von Dr. Friedrich Kronenberg, von 1966 bis 1999 Generalsekretär des ZdK, erschienen in Salzkörner 19. Jg. Nr. 2, 24. April 2013