MÜNCHEN. Bilder von Fleischfabriken und menschenunwürdigen Unterkünften sind von der Corona-Zeit im Gedächtnis haften geblieben. Ohne Erntehelfer aus Ländern wie Rumänien, Polen oder Bulgarien funktioniert die deutsche Landwirtschaft längst nicht mehr. Pflegekräfte aus dem Osten Europas werden dringender gebraucht denn je – und in den Herkunftsländern fehlen die Arbeitskräfte. Über faire Arbeitsmigration in Deutschland und für die östlichen Länder Europas diskutieren mehr als 200 Fachleute und Interessierte aus gut 20 Ländern seit heute Morgen beim abermals hybrid ausgerichteten Renovabis-Kongress, der noch bis zum morgigen 1. September in München und online stattfindet.
Zur Eröffnung machte Erzbischof Heiner Koch, Vorsitzender des Aktionsrates des katholische Osteuropa-Hilfswerk Renovabis, in einer Videobotschaft deutlich, dass hinter dem Phänomen Arbeitsmigration Menschen stehen und dies „ist häufig genug verbunden mit emotionsbeladenen Erfahrungen: die der Entwurzelung und des vergeblichen Versuchs des Fuß-Fassens. Menschen erleben Situationen des Scheiterns, das Gefühl des Abgelehnt-Werdens – all‘ das gehört für die Betroffenen dazu und stellt sie immer wieder vor die Frage: ‚Gehen oder bleiben?‘ “
Der Renovabis-Bischof will fair gestaltete Arbeitsverhältnisse in Deutschland und in den Herkunftsländern der Menschen absichern, die ihre Existenzen nicht länger mit Umsiedlungsgedanken belasten sollen. „Dabei haben sowohl in Deutschland wie in den Ländern Mittel- und Südosteuropas oft gerade kirchliche Einrichtungen wie die Caritas Vorbildfunktionen“, so Erzbischof Koch.
Über das vielschichtige Thema diskutieren beim 26. Internationalen Renovabis-Kongress die Teilnehmenden unter dem Titel „Aufbruch in ein besseres Leben? Herausforderung faire Arbeitsmigration“. Ein besonderes Anliegen ist den Veranstaltern, auch den Blick auf die Auswirkungen in den Herkunftsländern zu richten. Viele Regionen in Ost- und Südosteuropa leiden stark unter dem Wegzug von jungen Menschen. Paare müssen sich trennen, Kinder wachsen häufig ohne ihre Eltern auf, Überalterung und fehlende Perspektiven sind die Folge. Hiervon werden aus den Partnerländern von Renovabis Expertinnen und Experten sowie Vertreter aus der Praxis in München berichten.
Dennoch ist Arbeitsmigration eben nicht bloß negativ zu sehen, sondern kann sich sogar zu einer Win-win-Situation entwickeln, etwa wenn Arbeitsmigrantinnen und -migranten ihre Familien zu Hause finanziell unterstützen und so zur Verbesserung der dortigen Lebensverhältnisse beitragen oder wenn sie später dauerhaft in ihre Heimat zurückkehren und dort ihre Erfahrungen einbringen.
Der Kongress endet morgen mit einem „Münchner Appell“ an Politik, Gesellschaft und Kirche, vorgestellt von Pfarrer Professor Thomas Schwartz, dem Hauptgeschäftsführer der Solidaritätsaktion Renovabis, dem Osteuropa-Hilfswerk der deutschen Katholiken.