TV-Tipp STATIONEN ∙ BR
Was erwarten Bayerns Katholiken vom Papst?
Immer wieder hoffen Katholiken auf Reformen aus Rom. STATIONEN-Moderatorin Irene Esmann besucht Menschen in Bayern, die sich für Neuerungen einsetzen. Sie nimmt ihre Anliegen mit zur Weltsynode nach Rom und fragt Mitglieder, wie sie dazu stehen. Das Bayerische Fernsehen hat einen besonderen Beitrag zur Weltsynode von Rom produziert. Auch Renovabis-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Thomas Schwartz kommt als Beobachter der Synode zu Wort. Der Film gibt einen bewegenden Einblick und führt viele Stimmen und Perspektiven zusammen.
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Was nehme ich von der Synode mit nach Hause? - Teil 14
Vor fast genau einem Monat habe ich in meinem ersten Synoden-Blog davon berichtet, was ich alles nach Rom mitgebracht habe: die Erfahrungen der vergangenen Jahre seit dem Beginn des weltweiten synodalen Prozesses 2021; auch das, was wir in Deutschland in den vergangenen Jahren mit dem Synodalen Weg angestoßen und thematisiert haben. Dazu waren auch die Hoffnungen und Befürchtungen vieler Menschen bei uns daheim in meinem Gepäck dabei. Ich weiß noch, dass ich formulierte, dass ich mich angesichts der Fülle der Erwartungen und Forderungen, die an uns als Teilnehmende und an diese Synode herangetragen wurden, ziemlich überfordert fühlte. Aber ich wusste auch: Es sind die Themen, die das Leben der Kirche nicht nur bei uns, sondern weltweit seit Jahren prägen und uns auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auf den Fingern brennen werden.
Dennoch war ich ein bisschen skeptisch gestimmt. Deswegen habe ich versucht, für mich und im Blog eine Art Kriterienkatalog für den Erfolg dieser synodalen Versammlung zu formulieren. Dazu gehörten für mich (ich zitiere mich mal selbst – ohne selbstreferentiell sein zu wollen): „Transparenz, Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen kirchlicher Entscheidungen, echte Beteiligung und Mitverantwortung der Laien – Männer und (!) Frauen – beim Zustandekommen von Entscheidungen in der Kirche, den Kampf gegen einen selbstreferenziellen Klerikalismus, ernsthaftes Bemühen um eine Veränderung der Priesterausbildung, Offenheit für neue Ämter auch für Frauen, glaubwürdiges Bemühen, niemanden mehr auszugrenzen, ein vertieftes ökumenisches Zeugnisgeben und vor allem ein neues – katholisches – Verständnis von Synodalität im Sinne eines geistlichen Miteinanders aller Getaufter statt eines Gegenüber von Laien und Klerikern und eines vertieften Bewusstseins, dass jedes Amt in der Kirche zuerst und vor allem Dienst und nicht Privileg ist.“
Wenn ich meine vor vier Wochen selbst aufgestellten Kriterien zum Maßstab der Bewertung dieser Synode mache, dann ist sie ein Erfolg geworden. All das und noch einiges mehr findet sich im Abschlussdokument der Versammlung wieder. Und es tauchen Dinge in dem Text auf, von denen auch wir in Deutschland wirklich noch profitieren können. So wenn etwa unter Nr. 84 einige Schlüsselelemente für das Gelingen kirchlicher Unterscheidungs- und Entscheidungsprozesse genannt werden. Auch, dass das Schlussdokument echte Perspektiven für eine gelingende Dezentralisierung weist, sehe ich als einen Fortschritt an, der unseren Weg in Deutschland bestärkt. Überzeugt hat mich auch die Sensibilität, mit der der Text die Diversität, die eine globale Kirche schon jetzt prägt, zu beschreiben und positiv zu bewerten versucht. Da wird nicht von „Ungleichzeitigkeiten“ gesprochen, was ja stets den Verdacht in sich birgt, nach dem „die anderen einfach noch nicht so weit sind wie wir“. Vielmehr spricht man von unterschiedlichen „Rhythmen“: „Die Annahme eines synodalen Stils ermöglicht es den Kirchen, sich in unterschiedlichen Rhythmen zu bewegen. Unterschiede im Rhythmus können als Ausdruck legitimer Vielfalt und als Gelegenheit zum Austausch von Gaben und zur gegenseitigen Bereicherung gewertet werden.“ (Nr. 124)
Das Bewegendste war aber für mich das, was Papst Franziskus in seinem abschließenden Grußwort zum Ende der Synode gesagt hat: "Und jetzt, im Lichte dessen, was auf dem synodalen Weg herausgekommen ist, gibt es und wird es Entscheidungen geben, die getroffen werden müssen. In dieser Zeit der Kriege müssen wir Zeugen des Friedens sein, auch indem wir lernen, dem Miteinander der Unterschiede eine reale Form zu geben. Aus diesem Grund beabsichtige ich nicht, ein 'Apostolisches Schreiben' zu veröffentlichen, es reicht das, was wir approbiert haben. Das Dokument enthält bereits sehr konkrete Hinweise, die eine Orientierungshilfe für die Sendung der Kirchen auf den verschiedenen Kontinenten und in den unterschiedlichen Kontexten sein können: Deshalb stelle ich es allen sofort zur Verfügung, deshalb habe ich gesagt, dass es veröffentlicht werden soll. Ich möchte auf diese Weise den Wert des abgeschlossenen synodalen Weges anerkennen, den ich mit diesem Dokument dem heiligen und gläubigen Volk Gottes übergebe."
Ich habe meiner Mutter am Samstag am Telefon diesen Abschnitt vorgelesen. Und sie hat mich gefragt: „Und was heißt das jetzt?“ Meine Antwort: „Der Papst macht ernst mit der Synodalität. Es gilt das, was wir gemeinsam beschlossen haben, und zwar so, wie wir es beschlossen haben.“ Denn für ein nachsynodales Schreiben wäre der ganze Text noch einmal durch die Mühlen der römischen Dikasterien gegangen, zerrieben und feingemahlen worden. Was da herausgekommen wäre, wäre sicher die reine Lehre, aber eben auch absolut steril. So viel dazu, was ich an Freude und echter Begeisterung mit nach Deutschland mitnehmen werde. Es ist sogar mehr, als ich erwartet habe. Aber wird das reichen?
Am Schluss meines ersten Blogs stand zu lesen: „Ich bin davon überzeugt: Gottes Geist hat einen langen Atem.“ Gestern, am Tag des feierlichen Gottesdienstes zum Ende der Synode, saß ich noch einmal vor dem Abschlussdokument und las dort auch die Sätze: „Es gibt keinen Grund, warum Frauen keine Führungsaufgaben in der Kirche übernehmen sollten: was vom Heiligen Geist kommt, kann nicht aufgehalten werden. Auch die Frage des Zugangs von Frauen zum diakonischen Dienst bleibt offen.“ (Nr. 60) Da habe ich gemerkt, wie sich Enttäuschung bei mir ausbreitete und ich mich fragte: Dafür waren wir jetzt zweimal vier Wochen zusammen? Ich sehe nun viele meiner Bekannten in Deutschland vor meinem geistigen Auge, die sich und mich dasselbe fragen werden. Und ich kann sie verstehen. Und dennoch meine ich, dass wir es selbst in der Hand haben, solche Aussagen zu deuten. Ich kann mich davon enttäuschen lassen, denn ja: es ist viel zu wenig für die vielen Frauen, die um ihre Berufung wissen!
Aber ich kann mich auch darauf stützen und sagen: Zum ersten Mal haben fast drei Viertel aller Synodenmitglieder miteinander festgestellt, dass der Zugang der Frauen zum diakonalen Dienst offen ist. Keine Causa finita! Solche Mehrheiten hätten viele Politiker und auch viele Synodale in Deutschland bei manchen Themenkreisen gerne gehabt! Dann liest sich der Satz: „Was vom Heiligen Geist kommt, kann nicht aufgehalten werden“, auch nicht mehr zynisch, sondern hoffnungsvoll. Und diese Hoffnung packe ich mir jetzt in meinen Koffer und nehme sie mit nach Hause.
Von Thomas Schwartz
Alles braucht seine Regie – auch bei der Synode - Teil 13
Morgen schließt die diesjährige Synodenversammlung mit einem feierlichen Gottesdienst in der vatikanischen Basilika von St. Peter ab. Bevor ich mich übermorgen in einem letzten Blog an einer Zusammenfassung meiner Erfahrungen versuchen werde, gilt es, wie üblich, Dank zu sagen. Erwarten Sie bitte nun aber keine lobenden Worte für das Team von katholisch.de oder die anderen Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmer. Ich denke viel mehr an die vielen Menschen im Hintergrund, die eine solche große kirchliche Veranstaltung überhaupt erst möglich machen.
Da sind die vielen technischen und hausmeisterlichen Mitarbeiter, denen ich danken möchte. Sie haben u.a. die Stühle und Tische in der Aula so genau aufgestellt, dass man sich trotz der Größe des Raums einerseits nicht verloren vorkam, andererseits trotzdem genügend Abstand gegeben war, um sich auf die Arbeit am eigenen runden Tisch konzentrieren zu können und die Arbeit der anderen nicht zu stören. Jeden Morgen war zudem immer alles blitzblank sauber und in Reihe. Dank also auch den fleißigen Reinigungskräften, die nicht nur die Aula, die Lobby, sondern eben auch die Toilettenanlagen und alles andere toll in Schuss gehalten haben.
Unzählige Kilometer Kabel sind in der Aula verlegt worden. Auf jedem Tisch wurden Mikrofone, große Displays und Kameras platziert, die mit dem Gesamtsystem verbunden werden mussten und die dafür sorgten, dass jede Person, die im Plenum gesprochen hat, auch von allen anderen gehört und gesehen wurde, ohne dass man wie in einem Parlament zum Redepult vorschreiten musste. Daneben hatte jeder von uns ein personalisiertes Tablet mit seinem korrekten Namen – übrigens selbst Papst Franziskus – vor sich stehen, das bei jeder Sitzung die Teilnehmerzahlen nach Anmeldung im System zählte, die notwendigen Dokumente der Tagesordnung vorhielt, mit dem man die Übersetzungssprachen einstellen und auch Redebeiträge anmelden konnte. Auch diese Tablets waren jeden morgen fein säuberlich wieder am richtigen Platz taxiert und funktionstüchtig.
„Ein herzlich bayerisches Vergelt's Gott!“
Überall standen zudem Assistentinnen und Assistenten und technische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit, um bei allen Fragen und Problemen helfend zur Hand zu gehen. Von den fleißigen Menschen am Buffet und an den Kaffeemaschinen habe ich ja schon gesprochen. Auch ihnen sei dieser Dank-Blog gewidmet. Das Sicherheitspersonal, Schweizergardisten, Gendarmerie hatten in diesen Wochen unglaublich viel zu tun. Genauso alle, die die Teilnehmer zu ihren teils weit entfernten Unterkünften transportieren mussten. Sie immer wieder durch den römischen Verkehr pünktlich zur Synodenaula zu bringen, war gewiss nicht einfach. Viele andere werden jetzt vergessen, auch von mir hier in diesem Blog. Sie sind in meinen Gedanken.
Alles braucht eine Regie. Die große Vorbereitung und Planung war die Körnerarbeit des Synodensekretariats und seiner wirklich sehr wenigen Mitarbeiter. Sie haben in diesen Jahren Unglaubliches geleistet! Aber auch in der Synodenaula gab es eine Regie, die morgens und nachmittags sehr einprägsam auf sich aufmerksam machte, und zwar durch die Mitteilung der Anwesenheiten in einem herrlichen Tonus rectus, der für viele zum Lachen reizenden Imitationen Anlass gegeben hat, und die aber ansonsten gerade deswegen auffiel, dass sie nicht auffiel. Denn bis auf ganz kleine Dinge hat wirklich alles hervorragend funktioniert. Auch ihr ein herzliches bayerisches Vergelt's Gott!
Es sind eben doch die vielen „kleinen“ Leute, die solche „große“ Events möglich machen. Sie werden oft vergessen. Und es sind die „kleinen Leute“, die mit den „Großen Tieren“ gemeinsam das Volk Gottes bilden. Für sie sind wir alle eigentlich hier gewesen und an ihnen sollte sich alles, was hier beschlossen wurde, orientieren und an ihren Hoffnungen, Wünschen und Sehnsüchten Maß nehmen. Alle gehören da dazu, wirklich alle! Das sagt jedenfalls Christus, der der Kirche den Auftrag gegeben hat, in alle Welt zu gehen und allen die Frohe Botschaft zu bringen. Und er sendet uns, damit das zu guter Letzt auch gelingt, seinen Heiligen Geist. Er führt letztlich die Regie.
Von Thomas Schwartz
Die klerikale Modenschau – Am Ende doch nur eine Bischofs-Synode? - Teil 12
Für den Donnerstag und Freitag dieser letzten Woche der Synode steht im offiziellen italienischen Ablaufprogramm das einfache Wort "Vacanze", was vereinfacht mit "Ferien" oder auch "Freizeit" übersetzt werden kann. Sie sind aber eher eine Art synodale Verfügungsmasse für bislang verpasste Gelegenheiten (bspw. das Gespräch mit dem Präfekten des Glaubensdikasteriums, Kardinal Fernández, zur Arbeit seiner Arbeitsgruppe zur Rolle und Bedeutung der Frau). Oder sie dienen als Möglichkeiten zu einer notwendigen Erholung für das, was allen Teilnehmern am Samstag als Endspurt der Versammlung bevorstehen wird: die Schlussabstimmung über den finalen Abschlusstext nämlich. Für die Redaktionsteams des Generalsekretariats hingegen sind diese beiden Tage notwendig, um die unzähligen Änderungsvorschläge, die aus der Runde aller Synodalen in den vergangenen Tagen eingegangen sind, in den Text einzuarbeiten und ihn auch sprachlich und stilistisch so zu formen, dass er als Abschlussdokument taugt. Man beneidet die Frauen und Männer, die in diese Arbeit involviert sind, weiß Gott nicht.
Ich für meinen Teil nutze diese beiden "freien Tage", um in Berlin an den Gremiensitzungen von Renovabis teilzunehmen und noch einige weitere Termine in der Hauptstadt zu absolvieren. "Ferien" sind das gewiss nicht und auch "Erholung" sieht anders aus. Aber es gibt eben noch ein Leben neben und jenseits der Synode. Eines aber ist wichtig: Am Samstag habe ich wieder morgens rechtzeitig in der Synodenaula anwesend zu sein, um an der wichtigsten Sitzung der Synode dabei zu sein.
Bei solchen wichtigen Gelegenheiten fragen der gewöhnliche Mann und die gewöhnliche Frau ja oft, was er bzw. sie anziehen sollen. Ich habe es da recht einfach: am besten ein schwarzer Anzug und ein schwarzes Priesterhemd. Da kann ich eigentlich nichts falsch machen. Toll war es bereits im letzten Jahr, als einige Frauen, die als Delegierte aus Afrika entsandt sind, in ihren wunderschönen und farbenprächtigen Roben in der Synodenaula erschienen. Ich hoffe, diese Farbtupfer auch in diesem Jahr wieder bewundern zu dürfen.
Farbtupfer wird es am Samstag viele zu sehen geben, aber...
Obwohl: Farbtupfer wird es am Samstag viele zu sehen geben. Denn für die anwesenden Bischöfe, Erzbischöfe, Kardinäle und für Großerzbischöfe und Patriarchen der orientalischen katholischen Kirchen gilt am Samstag ein strikter Dresscode. Sie haben ihre bischöflichen Soutanen in der Farbe ihres Ranges zu tragen, das entsprechende Scheitelkäppchen, das italienisch "Zucchetto" und lateinisch "Pilleolus" genannt wird, und natürlich das violette oder purpurfarbene "Cingulum" um die Taille. Es wird eine richtiggehende klerikale Modenschau werden.
Leider nicht synodal. Denn wie gesagt: Für nichtbischöfliche Synodenmitglieder gibt es keine Kleiderregeln. Manche werden fragen: Warum macht man am letzten und entscheidenden Tag der Synode ein solches Aufhebens um die Kleidung? In den vergangenen fast vier Wochen sind die Bischöfe und Kardinäle zwar meist im dunklen Anzug an den Runden Tischen gesessen, aber es gab eben auch solche, die schon einmal einfach mit Jeans und Pullunder über dem Priesterhemd in die Synodenaula kamen – und niemand, wirklich niemand hat sich daran gestört. Als ich ein Mitglied der Versammlung auf diesen Umstand aufmerksam machte, bekam ich eine interessante Antwort, die mir doch zu denken gibt: "Am Ende ist es doch eine Bischofssynode. Und irgendwann zeigt sich das eben auch." Ein anderer Synodaler meinte hingegen: "Es ist ein feierliches Geschehen. Da zieht man halt das beste Gewand an."
Man kann sich dabei denken, was man will. Ich weiß nur, was mir ein Purpurträger dazu ins Ohr geraunt hat: "Weißt Du, das Zeug ist furchtbar unbequem." – Eine meiner guten Freundinnen würde das allerdings mit ihrem herrlich spitzen Mundwerk wie folgt kommentieren: "Wer schön sein (oder entscheiden?) will, soll ruhig leiden!"
Jugend verändert die Kirche – doch in Synodenaula unterrepräsentiert - Teil 11
Nachdem am Montag der erste Entwurf des Schlussdokumentes der Synode verteilt wurde und zwar rein physisch – ich schätze mal, dass dafür insgesamt ungefähr gut 20.000 Seiten Papier bedruckt werden mussten, wenn alle Synodenmitglieder, geschwisterliche Delegaten, besondere Gäste, die Experten und alle, die sonst noch mit dem Dokument befasst sind, je ein Exemplar in die Hand gedrückt bekommen haben –, wurde am Dienstag in freien Beiträgen im Plenum und in unseren Arbeitsgruppen an diesem Papier gearbeitet und das wird auch noch bis Mittwochmittag weitergehen. Im vergangenen Jahr wurden knapp 1.200 Änderungsvorschläge gemacht. Wieviel es in dieser finalen Versammlung sein werden, vermag ich nicht zu sagen.
Das gehört wohl zu einer solchen Synode und es ist ja auch nicht schlecht, wenn Meinungen ausgetauscht und Änderungswünsche eingebracht werden. Es wird ja, so hat ein Kommentator auf dieser Seite schon bemängelt, eh zu wenig gestritten. Sei's drum. Das ist alles in allem anstrengend und bedeutet manchmal für jemanden wie mich, der als "Invitato Speciale" nur Vorschläge machen, aber nicht selbst darüber abstimmen kann, auch, richtig viel geduldige Überzeugungsarbeit bei den anderen Teilnehmern meiner Arbeitsgruppe zu leisten.
Umso schöner sind dann die Begegnungen, die man macht, wenn man abends die Synodenaula verlässt, vielleicht noch mit der einen oder anderen Kollegin oder einem Kollegen etwas gegessen hat und dann gemütlich in seine Unterkunft zurückläuft. Ich habe in diesen Wochen schon mehrere Male junge engagierte Katholikinnen und Katholiken aus den Jugendverbänden von Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol getroffen, also aus dem ganzen deutschen Sprachraum. Das ist für mich immer ein schöner Moment, der sogar schlechte Laune verschwinden und Stimmung aufzuhellen vermag.
Jugend ist deutlich unterrepräsentiert
Gestern Abend war das auch der wieder der Fall. Gedankenverloren war ich gerade beim Petersplatz angekommen, als mir ein fröhliches "Hallo, Herr Schwartz" zugerufen wurde. Frohe, mutige, lächelnde, hoffnungsvolle Gesichter. Junge Menschen voller Elan, die mit Energie und großer Hoffnung die Synode und auch uns Teilnehmende begleiten. Junge Leute, die kritische, aber vor allem ehrliche Gespräche mit uns Synodalen führen und uns immer wieder durchaus fordernd ermutigen, die Jugend nicht zu vergessen.
Überhaupt die Jugend. Sie ist in der Aula Pauls VI. deutlich unterrepräsentiert. Dabei kommt es gerade auf sie an, wenn es darum geht, die Kirche missionarisch und synodal umzuformen. Es wird nach der Synode die große Aufgabe für uns sein, mit allen Menschen, besonders aber eben auch mit den jungen Leuten, die immer noch in der Kirche aktiv sind, den Weg einer glaubwürdigen, partizipativen und synodalen Kirche zu gehen. Das wird eine Kirche sein, in der jeder und jede eine Stimme haben wird, in der es keine Ausgrenzung aus welchen Gründen auch immer mehr geben wird. Eine Kirche, in der alle Getauften miteinander geschwisterlich einen Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe gehen werden und dadurch Zeugnis für einen Gott ablegen, der für alle Welt eine frohmachende Botschaft des Lebens bereithält.
Eine solche Kirche wird einladend und missionarisch sein, weil sie neugierig macht. Es wird eine Kirche sein, die jung hält, auch wenn man älter wird. In den Augen der jungen Leute kann ich sie schon sehen. Es ist eine schöne Vision. Die dürfen wir in der und für die Kirche haben, ohne zum Arzt gehen zu müssen. Mehr noch: Wir brauchen sie – die Visionen – und die jungen Leute, die sie im Geist Christi verwirklichen werden. Sie merken: Jugend bewegt!
Synodale Schocker: Zwischen Berufungen und Ablehnungen - Teil 10
Nachdem wohl die meisten Leser meines letzten Blogs verstanden haben dürften, dass ich keineswegs über die Wetterkapriolen in Rom schreiben wollte, möchte ich zu Beginn der letzten Woche dieser Synoden-Versammlung über eine Unterhaltung mit einem afrikanischen Synodenteilnehmer berichten, die ich nach dem sogenannten "Gespräch" der Arbeitsgruppe zum Thema der Frauen in der Kirche mit den knapp hundert anwesenden Synodalen in einer Bar außerhalb des Vatikans geführt habe.
Wie ich war auch er angesichts des Prozedere des Glaubens-Dikasteriums in besagter Thematik sehr angefasst. Nach einigen Unmutsäußerungen, deren Deutlichkeit hier nicht in den Blog gehören, kamen wir aber irgendwie gemeinsam in eine Form der bei der Synode gepflegten "Konversation im Geist" hinein. Wir beide, die wir uns eigentlich gar nicht richtig kannten, geschweige denn uns je intensiver unterhalten hatten, führten ein tiefes geistliches Gespräch über die Rolle der Frau in der Kirche, also genau das, was wir uns eigentlich von dem Austausch mit der Arbeitsgruppe erwartet hätten. Irgendwann in dieser Unterhaltung kam für mich ein geistlicher Schocker: "Wie müssen sich die Frauen in der Kirche fühlen, die seit Jahrzehnten in der Spannung zwischen persönlich tief empfundenem Gefühl des Berufen-Seins zu einem Weihedienst und der kirchlich verkündeten Ablehnung der Legitimität dieser inneren Überzeugung leben?", fragte mich mein Gesprächspartner. Ich muss zugeben, diese Frage hat mich überwältigt.
Es geht bei ihr eben nicht nur um die juristische Zulässigkeit zu den Weihediensten, wie das beispielsweise bei der Diskussion um die Zulassung von "viri probati" zur Priesterweihe der Fall ist. Das ist eine kirchenrechtliche Frage, die die Kirchendisziplin betrifft. Der Papst kann durch eine Änderung der gesetzlichen Normen des "Codex Iuris Canonici", also des kirchlichen Gesetzbuches, ab morgen die Weihe von nicht zölibatär lebenden Männern ermöglichen. Das würde zwar auch viele Widerstände hervorrufen, aber dass er dazu die Vollmacht hat, wird niemand, auch nicht der konservativste Rechtsausleger, dem Papst absprechen.
Bei der Frage, die mir der afrikanische Synodale stellte, geht es aber um viel mehr. Um etwas, was ich mir als Mann eigentlich überhaupt nicht vorstellen kann. Es geht darum, dass einer menschlichen Person das Recht zu einer ihr ganzes Wesen bestimmenden und prägenden Überzeugung einfach deshalb abgesprochen wird, weil sie kein Mann ist. Diese Frage, die mir ein Mann gestellt hat, hat mir deutlich gemacht, dass es beim Zugang zu den Weihen eben um viel mehr als um den gleichberechtigten Zugang zu Macht und Einfluss in der Kirche geht, wobei ja selbst das eine diskussionswürdige Frage sein darf.
Zutiefst spirituelle Frage
Es geht vielmehr um eine zutiefst spirituelle Frage, die das Wesen unserer kirchlichen Sendung betrifft: den Dienst der Unterscheidung nämlich, der eine wesentliche Aufgabe aller Getauften zu sein hat, aber bei den Bischöfen und beim Papst natürlich in ganz besonderer Weise gebraucht wird, um die Einheit der Kirche und die Vielfalt ihrer Charismen zusammenzuhalten. Wir beide, mein afrikanischer Mitsynodaler und ich, haben gemerkt, wie schwer diese Frage wiegt. Und wie schwer es unseren Bischöfen und unserem Heiligen Vater fallen muss, darauf eine wirklich geisterfüllte Antwort zu geben. Denn sie haben ja scheinbar die ganze kirchliche Tradition gegen sich stehen.
Könnte also der Versuch, in einer Studiengruppe erst einmal wieder die theologische und juristische Gleichstellung von Frau und Mann zu ermöglichen, indem man aus dem Zeugnis der Schrift und der Kirchengeschichte deutlich zeigt, dass Frauen in der Kirche stets auch das Recht zur Übernahme kirchlicher Macht hatten, der erste Schritt zu einer Öffnung zum geweihten Dienst sein? Sozusagen durch die Absicherung von Legalität auch die Frage nach der Legitimität zu öffnen? So denken wahrscheinlich zwei Männer, denen durch ihre Bereitschaft zum zölibatären Leben alle Wege in der Kirche offenstehen. Und sie denken das, weil sie in diesem synodalen Prozess durch die Methode der Konversation im Geist ein wenig geübt sind, in der scheinbar völlig konträren Position eines anderen, immer auch das Gute und Fruchtbringende entdecken zu wollen.
Aber die Frage meines geistlichen Mitbruders bleibt: "Wie müssen sich die Frauen in der Kirche fühlen, die seit Jahrzehnten in der Spannung zwischen persönlich tief empfundenem Gefühl des Berufen-Seins und der kirchlich verkündeten Ablehnung der Legitimität dieser inneren Überzeugung leben?" Um ehrlich zu sein: Ich zittere vor der Beantwortung dieser Frage.
Zwischen Synodenberichten und Wetterkapriolen - Teil 9
Ich folge mit diesem Blog dem Rat eines guten Freundes und langjährigen Weggefährten aus einem europäischen Land, der ebenfalls hier an der Synode teilnimmt. Er hat mir empfohlen, über das Wetter zu schreiben. Diesem Rat folge ich gerne, denn er ist gut, geradezu weise angesichts der Tatsache, dass ich ja bekanntermaßen über den inhaltlichen Verlauf der Synode nichts schreiben darf, über das Wetter aber durchaus. Zur Sache, Pardon: Zum Wetter also!
Der Freitag war ein interessanter Tag. Es begann am frühen Morgen mit einem ersten Regen, der dann aber schon gegen 8:00 Uhr morgens wieder von heiterem Himmel abgelöst wurde. Unter diesem Himmel kamen dann die etwa 90% aller zur Synode gewählten und berufenen Mitglieder und Gäste, die in der Regel anwesend sein können, in der Aula zusammen, um an ihren Sprachtischen letzte Hand an die Zusammenfassungen ihrer jeweiligen Arbeitsgruppe zu legen. Bis 12:30 Uhr mussten alle Berichte beim Synodensekretariat abgegeben sein. Je früher man fertig wird, desto eher hat man frei. Das motiviert zu zügigem Arbeiten. All das geschieht meiner Empfindung nach in einer dem Wetter entsprechenden Grundgestimmtheit: heiter bis wolkig und niederschlagsfrei.
Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer freuen sich auf zwei Tage Ferien. Manche Bischöfe fahren in ihre Diözesen zurück, um dort mal "nach dem Rechten zu sehen", wie mir ein italienischer Oberhirte schmunzelnd und sehr gelöst erzählt. So strahlend wie seine Laune, ist jetzt gegen Mittag auch das Wetter über dem Vatikan: Die Sonne brennt förmlich an diesem Oktoberfreitag auf die Synodalen herunter, aber es ist so schwül und schweißtreibend, dass man geneigt ist, für den späteren Verlauf des Tages noch Regen und heftigen Niederschlag zu fürchten.
Viele Synodalen wollen die eigentlich vorgesehenen Ferien allerdings nutzen, um noch mit den Koordinatoren der zehn vom Papst eingesetzten Arbeitsgruppen ins Gespräch und einen guten Austausch einzutreten. Deswegen sind viele doch noch bei diesen Treffen dabei. Ich freue mich übrigens auf die Arbeitsgruppe, bei der über die Rolle der Frau in der Kirche ein Bericht entstehen soll.
Das Wetter ist sehr wechselhaft. Manchmal scheint die Sonne. Aber genauso schnell verdüstert sich der Himmel und lässt Schlimmes befürchten. Am Anfang ist alles noch trocken. Kein Tropfen scheint dem Himmel entweichen zu wollen. Doch dann kommt der Regen. Aber nicht lau und mild, sachte und leise, sondern wie ein Sturzbach. Als ich dann spätabends nach Hause komme, bin ich nass bis auf die Haut. Ich war wohl zu blauäugig angesichts der Kleinwetterlage gewesen. Später erfahre ich von erfahrenen Römern, dass diese überraschenden Wetterkapriolen immer mal kommen, dass sie aber nicht von Dauer seien, und sich nach dem schlimmstem Niederschlag recht bald die Sonne wieder zeige.
Wie ich höre, meinen selbst einzelne Römer immer noch, dass sie keinen Schirm brauchten, sondern dass sich das Wetter ihren Vorstellungen unterzuordnen habe. Dann verkennen sie aber die Großwetterlage. Am Schluss werden auch sie merken, dass es auch in Rom mal ziemlich regnen kann. Wie ich höre, soll kommende Woche das Wetter wieder besser werden.
Synodale Einsichten über das Espressotrinken und den Fußball - Teil 8
"Ormai ci conosciamo! – Mittlerweile kennen wir uns ja schon!" Mit diesen Worten stellt mir lächelnd morgens während der Pause Signor Filippo, ein liebenswürdiger älterer Herr von fast 80 Jahren, der am hinteren Ende der Lobby der Synodenaula am Frühstücks-Büffet bei der Kaffee-Bar seinen Dienst tut, ungefragt immer eine wunderbar dampfende Tasse mit Espresso hin. Signor Filippo kennt mich schon. Er weiß, was ich morgens brauche. Er weiß, wie ich ticke und braucht dementsprechend nicht mehr zu fragen, ob ich lieber einen Cappuccino oder doch eher einen Ristretto trinken möchte.
"Ormai ci conosciamo!" Das scheint mir aber auch ein Bild dafür zu sein, was sich bei der Synode seit dem vergangenen Oktober bewegt und verändert hat. Viele der 375 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich auf die ein oder andere Weise, in den Arbeitsgruppen an den Tischen, bei Pausengesprächen in der Lobby oder bei den zahlreichen Veranstaltungen, zu denen neben und am Rande der Synode eingeladen wird, kennenlernen können.
Das hat Vorteile, kann aber auch Effekte zeitigen, die man eigentlich verhindern sollte, wenn man ernsthaft etwas gemeinsam erreichen möchte. Denn ich bemerke bei mir schon manchmal eine gewisse Tendenz zum selektiven Hinhören bei den freien Interventionen während der Generalkongregationen. Man kennt sich schon und weiß, was man von dem einen oder der anderen Synodalen als Redebeitrag zu erwarten hat. Entweder man wird dann neugierig und greift zum Notizblock, um etwas mitzuschreiben, was interessant sein könnte, oder man schaut ein wenig geistesabwesend in seine Unterlagen hinein und nimmt sogar den Kopfhörer ab, den ich jedenfalls normalerweise selbst dann trage, wenn ich auf eine Simultan-Übersetzung verzichte, denn da ist weniger Hall zu hören als in der Aula.
"Ormai ci conosciamo!" Das Umeinander-Wissen hat eben auch seine Schattenseiten. Doch es gibt immer wieder Überraschungen. Eine hatte ich am Dienstag morgen: Da unterhielt ich mich kurz mit einem Synodenteilnehmer über das Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Niederlande. Ich war über den Sieg unserer Mannschaft natürlich entzückt. Erst recht über die Art und Weise, wie unser Team gespielt hat. Eigentlich ist so ein Fußballspiel ein nicht gerade weltbewegendes Thema, sollte man meinen. Und doch traten plötzlich vier oder fünf andere Synodale hinzu, die mich als deutschen Teilnehmer schon kannten, und gaben ihre fachmännischen Kommentare über den Fußball im Allgemeinen und die deutsche Mannschaft im Besonderen ab.
Dann sagte plötzlich jemand im Kreis: "Ja, so eine Fußballmannschaft könnte ja auch ein Bild für eine synodale Kirche sein: verschiedene Aufgaben, unterschiedliche Persönlichkeiten, aber ein gemeinsames Ziel." Ich war leider im ersten Augenblick zu perplex, um das Bild aufzugreifen und darauf hinzuweisen, dass echte Synodalität aber auch ein "Mixed Team" fordert, um wirklich das gemeinsame Ziel einer missionarischen Kirche in dieser Welt glaubwürdig zu erreichen. Aber es hat mir trotzdem zu denken gegeben. Besonders, weil der, der dieses Bild in die Runde gestellt hat, von mir bislang nicht als ein allzu sehr von dem Thema der Synodalität begeisterter Synodenteilnehmer wahrgenommen worden war, also eher einer für das "selektive Weghören" im Plenum.
Mein Fazit: Manchmal kommen ganz spannende Einsichten zutage, selbst wenn man meint, man wisse schon fast alles von fast jedem. "Ormai ci conosciamo!"– das reicht nicht. Wir müssen im kontinuierlichen Gespräch bleiben. Dann kann das etwas mit einer synodalen Kirche werden.
Erstaunliche Vielfalt in den synodalen Postfächern - Teil 7
Wenn man morgens und nachmittags an stramm salutierenden Schweizergardisten und ebenfalls – allerdings weniger stramm – grüßender vatikanischer Gendarmerie vorbei die Lobby der Synodenaula betritt, bietet sich ein recht prosaisches Bild. Rechts die Garderobe und im Anschluss ein Stand, in dem man Fotos der letzten Generalkongregationen einsehen und bestellen kann (was besonders interessant ist, wenn es am Vortag zu einer kurzen Begegnung mit dem Heiligen Vater kam). Es schließen sich an die Auslagen der vatikanischen Buchhandlung mit kirchenoffiziellem Schrifttum (zum Beispiel dem neuesten "Annuario Pontificio", päpstliche Enzykliken, Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils etc.), aber auch neuerer theologischer Literatur und vielen erbaulichen geistlichen Schriften. Der Reigen der Verkaufsstände schließt mit einem kleinen, aber feinen Sortiment von Schreibwaren, die mit vatikanischem oder päpstlichen Wappen versehen sind, und den Schreibblocks, Notizheften und Kugelschreibern, die man dann nach Hause mitnehmen kann, schon einen Hauch absoluter Exklusivität verleihen.
Auf der linken Seite hingegen ziehen sich lange Reihen von Postfächern die Wand entlang, die dann gegen Ende rechts in den Raum abknicken und fast eine Art Sichtschutz vor dem hinteren Teil der Lobby bilden. Jeder Teilnehmer der Synode hat ein eigenes Fach mit seinem Namen. Sie sind alphabetisch und gemäß dem Status, den man während der Synode einnimmt, zwischen ordentlichen Mitgliedern, "Geschwisterlichen Delegierten" und "Besonderen Gästen" untergliedert.
Drastische Veränderungen zu anderen Synoden
Diese synodalen Postfächer scheinen für sich genommen zwar notwendig, aber wenig interessant zu sein. Sie sind es aber in gewisser Weise doch, denn wie bei Vielem anderen gilt auch hier: Auf den Inhalt kommt es an! Und der hat sich gegenüber dem des vergangenen Jahres erheblich verändert. Manche Synodale, die schon an mehreren anderen Synoden in der Vergangenheit teilgenommen haben, sagen mir sogar, dass diese Veränderungen wirklich drastisch seien.
Zwar finden sich weiterhin Briefe und Informationen zum weiteren Procedere der Versammlung oder Einladungen zu Empfängen verschiedener päpstlicher Organisationen, diverser Botschaften und in Rom arbeitender Institute. Daneben werden aber auch Einladungen zu Gesprächen mit verschiedenen Gruppen verteilt, die man im vergangenen Jahr noch nicht gesehen hat und die bei früheren Synoden überhaupt nicht vorstellbar gewesen wären. Ein paar Beispiele: In der letzten Woche gab es einen Flyer mit der Einladung zu einem Gespräch mit Christinnen und Christen aus der LGTBQ-Community. Eine andere Einladung stammte von einer internationalen Gruppe von Frauen, die sich aktiv für die Öffnung zu den Weiheämtern aussprechen. Auch eine Einladung der weltweiten Bewegung "Wir sind Kirche" und von global vernetzten jungen Erwachsenen, die engagiert den synodalen Gedanken in der Kirche verbreiten wollen, habe ich in meinem Fach vorgefunden.
All das gab es im vergangenen Jahr in dieser auffälligen Dichte noch nicht. 2023 fanden sich neben manchem wichtigen päpstlichen Schreiben wie "Laudate Deum" oder "C'est la confiance" auch noch diverse Einladungen und Anschreiben eher konservativer Kreise und Gruppierungen. Bei früheren Versammlungen müssen diese in rauen Mengen ausgelegen haben. Das ist in diesem Jahr überhaupt nicht der Fall. Das verwundert mich ein wenig, denn es ist ja nicht so, dass es keine starken Gegenbewegungen gegen die Synodalität und auch das Programm von Papst Franziskus gäbe. Aber diese sind augenblicklich nicht sichtbar, scheinen geradezu "abgetaucht" zu sein. Über die Gründe mag man weidlich spekulieren. Ich tue das nicht. Vielmehr freue ich mich einfach über die erstaunliche Vielfalt, die sich in den synodalen Postfächern zeigt. Die Kirche ist bunter als man meint und sie darf es sein, solange man in der Vielfalt das einende Band des Glaubens und der gemeinsamen Sendung, die uns als Volk Gottes aufgetragen ist, nicht aus dem Blick verliert. Und darum geht es ja schließlich bei dieser Synode.
Von Thomas Schwartz
Von einem "Vorfall" bei der Weltsynode und dem Schweigen der Kirche - Teil 6
Was mich als Teilnehmer der Weltsynode im Vatikan, der ja bekanntlich zwar ein eigener souveräner Staat ist, aber nur wenig größer als 40 Fußballfelder mitten in Rom und also in italienischen Gefilden liegt, wundert, ist die Tatsache, dass bislang die Organisation dieser Versammlung wie am Schnürchen funktioniert hat.
Für jeden gibt es in der Synodenaula ein eigenes Fach, in dem sich ebenso wichtige Informationen wie Postwurfsendungen finden. An jedem Platz gibt es ein funktionierendes Tablet, das alle jeweils aktuellen Tagesordnungspunkte und auch die offiziellen Beiträge des Sekretariats papierlos vorhält. Auch die eher leiblichen Bedürfnisse sind aufs Beste befriedigt – wenn man nicht wie zum Gedenken des 7. Oktober zum Gebet und zum Fasten aufruft. Der Transport zu den mitunter etwas weiter entfernten Unterkünften ist bestens organisiert. Auch die Simultan-Übersetzungen aller im Plenum gesprochenen Beiträge klappen prima. Wehmütig und demütig denke ich da an so manche deutsche Dysfunktionalität während der Fußball-Europameisterschaft oder bei anderen Gelegenheiten, auch wenn hier natürlich nur etwa 360 Menschen zusammenkommen. Aber man muss der Organisation einer solchen Veranstaltung schon einmal Respekt zollen.
Bei allem Lob der Logistik im Vatikan kam es gestern doch (endlich, denkt sich das leidgeprüfte deutsche Herz beinahe) zu einem "Vorfall".
Während der Generalversammlung in Anwesenheit des Papstes war der zum Kardinal ernannte englische Dominikaner Timothy Radcliffe zu einer geistlichen Einführung in das dritte Modul des "Instrumentum Laboris", also des Arbeitspapiers der Synode, ans Mikrofon getreten. Er deutete ausgehend von Mt 15,21-28 die Begegnung Jesu mit einer kanaanitischen Frau, wo es wörtlich heißt: "Jesus aber gab ihr keine Antwort" (Vers 23) dergestalt aus, dass in der Kirche das Schweigen ein wichtiger Schritt zu wichtigen Entscheidungen sei. Und genau in diesem Augenblick versagte die Übersetzungstechnik. Schweigen, Stille. Kein Mucks in der Synodenaula. Denn wenn auch viele Mitglieder der Synode Englisch sprechen, so ist es dennoch nicht unbedingt die Mehrheit. Man braucht die Übersetzungsarbeit, um verstehen zu können.
Und manchen wurde klar: Es braucht auch Übersetzungsarbeit für das, was auf dieser Synode geschieht. Es ist nicht allen einsichtig, ob und wie die Kirche sich bewegt, verändert. Viele verstehen nicht mehr, was in der Kirche passiert. Manche fühlen sich gerade vom Schweigen der Kirche zu Fragen, die ihr Leben als Christ und Christin betreffen, nicht angenommen, fühlen sich ausgegrenzt und wenden sich ab.
Als dann nach knapp fünf Minuten die Übersetzungstechnik wieder funktionierte, ging Radcliffe in geradezu prophetischer Ausdeutung genau darauf ein und machte zur Diskussion um die Rolle der Frau in der Kirche und eine wirkliche Gleichberechtigung in allen Bereichen auf den Mut der kanaanitischen Frau aufmerksam. Sie habe sich weder von der Ablehnung der Jünger noch vom Schweigen Jesu von ihrem Ziel abbringen lassen, für ihr krankes Kind Heilung zu erbitten. Manchmal sei das Schweigen der Kirche die Weise, wie sie im Umgang mit einem Thema, das auf den Nägeln brenne, nach vorne gehe, weil im Schweigen auch der Raum zum Suchen und Hören des Willens Gottes gegeben sei, so Radcliffe sinngemäß. Ich hoffe, ich habe ihn richtig verstanden.
Zuhören schlaucht! Wenn Synodale drauflosreden, ohne konkret zu werden - Teil 5
Manchmal ist so eine Synode ziemlich langweilig, schreibt Thomas Schwartz. Oft bekommt man Dinge zu hören, die der Redner vermutlich schon immer einmal sagen wollte. Dabei sollen gerade bei der Weltsynode Reformvorschläge konkret werden.
Eine synodale Generalversammlung kann mühsam, mitunter auch langweilig sein. Das ist besonders dann der Fall, wenn diejenigen, die bei den sogenannten "freien Interventionen", wo sich jeder Teilnehmer zu Wort melden kann, um einen Beitrag abzugeben, nicht an die Themen halten, die vorher vom Plenum in einer Abstimmung festgelegt worden sind.
Man bekommt dann manchmal Dinge zu hören, von denen man annehmen muss, dass sie der oder die Intervenierende schon lange einmal der Versammlung mitgeben wollte, bislang aber in der Rednerliste einfach noch nicht berücksichtigt werden konnte. Und dann wird munter drauflosgeredet ohne Rücksicht auf den vorgegebenen inhaltlichen Bezugspunkt. Das ermüdet und führt die Versammlung auch nicht wirklich weiter, denn es werden entweder lehrreiche Sermone oder gerne auch einmal spirituelle Besinnungsaufsätze verlesen. Beides soll aber eigentlich bei den Beiträgen während der Generalkongregationen vermieden werden. Darauf weist denn auch das Tagungspräsidium der Synode regelmäßig hin – mit mehr oder weniger Erfolg. Es wird jeweils eine Orientierungsfrage an das Plenum gestellt, zu deren Beantwortung ganz konkrete Vorschlage hören möchte, und zwar immer unter der Leitfrage, wie Synodalität in den verschiedenen Kontexten, über die man miteinander im Gespräch ist, umgesetzt und verwirklicht werden kann.
Forderung, konkret zu werden
Eine solche Einladung, ja Forderung zur Konkretion scheint man wohl bei einer Synode genauso erst lernen zu müssen, wie zuvor schon die Konversation im Geist als die Weise, aufeinander hörend und wertschätzend miteinander ins Gespräch zu kommen.
Woran das liegt, weiß ich auch nicht. Aber es könnte ja zumindest sein, dass in den letzten Jahrzehnten die Bischofssynoden sich oft genug darin genügten, Altbekanntes noch einmal neu und auf das jeweilige Thema der Synode bezogen, zu wiederholen. Wenn doch etwas Neues und gegebenenfalls Provozierendes gesagt wurde, wurde das schnell als nicht der Tradition entsprechend oder als nicht von einer Synode zu regeln vom Tisch gewischt. Das ist aber bei dieser Synode weder gewünscht noch sinnvoll. Denn es ist den meisten Teilnehmern klar, dass sich vieles in der Kirche ändern muss, wenn sie ihren Auftrag und ihre Sendung in einer sich immer schneller wandelnden Welt mit immer neuen Herausforderungen glaubwürdig erfüllen soll. Über das Faktum ist man sich einig. Aber es hakt an der Frage des "wie". Wenn man da keine Antworten hat, versucht man es eben manchmal mit frommen theologischen Meditationen und hofft vielleicht insgeheim, dass andere konkreter werden. Und ohne zu viel zu verraten: Immer, wenn das während der Freien Interventionen geschieht, wird dankbar Applaus gegeben.
Nach der ersten Synoden-Ernüchterung: Na also, es geht doch! - Teil 4
Offensichtlich ist das öffentliche Interesse an meinem Synoden-Blog deutlich größer, wenn ich darin Enttäuschung und Ernüchterung äußere, als dann, wenn dort meine Zufriedenheit oder gar Begeisterung zum Ausdruck kommen.
Heute werde ich also einige meiner Leserinnen und Leser enttäuschen, denn ich bin mal wieder ein wenig positiv überrascht worden. Und zwar von der Flexibilität des Synoden-Sekretariats.
Freie Interventionen der Teilnehmer
Denn eigentlich waren nach den Zwischenberichten der zehn eingesetzten Arbeitsgruppen keine weiteren Diskussionen mit den Teilnehmern der Synodenversammlung vorgesehen gewesen. Stattdessen hatte man am Freitag nach den kurzen Berichten der fünf offiziellen Sprachgruppen (zu denen bekanntlich deutsch nicht mehr gehört) den ganzen Tag freie Interventionen der Synodenteilnehmer zu vier ausgewählten Fragestellungen angesetzt. Das war mühsam und anstrengend und brachte leider nicht allzu viel Neues zutage, mitunter aber Kurioses, das ich aber aus bekannten Gründen nicht weiter ausbreiten werde.
Die Enttäuschung darüber, dass die Zwischenberichte der zehn Kommissionen nicht diskutiert werden sollten, blieb indes weiter spürbar. Das wird sich nun ändern. Nachdem sich viele Mitglieder der Synode mehr oder minder deutlich mit ihrem Unmut zu Wort gemeldet hatten, wurden das Plenum am Samstag morgen darum gebeten, ein Votum darüber abzugeben, wie bezüglich der Berichte zu verfahren sei. Mit großer Mehrheit wurde dafür votiert, sich darüber mit den Beteiligten der zehn Gruppen auszutauschen. Am 18. Oktober stehen dementsprechend die Sprecherinnen und Sprecher jener Arbeitskreise an verschiedenen Orten in der Nähe des Vatikans für Fragen und Gespräche zur Verfügung.
Dass diese Treffen nicht in der Synodenaula selbst stattfinden sollen, hat natürlich auch eine symbolische Bedeutung. Denn so will man vermeiden, dass es doch noch zu harten Diskussionen im Rahmen der Synode selbst kommt, die die Versammlung sprengen könnten. Gerade darum wurden die zehn Arbeitsgruppen ja Anfang dieses Jahres eingesetzt. Die Treffen sind also "Side-Events" der Synode, wichtig und gut, aber eben keine integralen Bestandteile der Bischofssynode.
Ich finde das in Ordnung. So wurde dem Willen der Mehrheit der Synodalen entsprochen ohne die programmatische Ausrichtung am Thema der Synodalität und ihrer Bedeutung für und in der Kirche zu verändern. "Gesichtswahrung" nennen das vielleicht die einen. Ich würde es als eine "Win-win-Situation"bezeichnen, also eine Konstellation, die für alle Beteiligten Vorteile bietet.
Gehobene Stimmung
In jedem Fall hat das die Stimmung in der Synodenaula und bei den Gesprächen in den Pausen deutlich gehoben.
Manche vermerkten sehr positiv, man sehe, dass sich das Synoden-Sekretariat ernsthaft darum bemühen würde, nicht unbedingt alles bei der Versammlung gemäß einer vorgegebenen Regieanweisung ablaufen zu lassen. Vielmehr sehe man die Offenheit, neu entstehenden Situationen mit einer "kreativen Weisheit" zu begegnen, wie es mir ein Teilnehmer augenzwinkernd formuliert hat. Na also, es geht doch!
Was nehme ich daraus mit? Es geht bei dieser Bischofssynode nicht nur um ein gutes Erwartungsmanagement, sondern auch um ein gutes Beschwerdemanagement. Beides ist nur erfolgreich, wenn man von einem guten Geist getragen ist. Den nenne ich gerne einmal "heilig".
Was war das jetzt? Ernüchterung statt Begeisterung in der Synodenaula - Teil 3
In meinem letzten Blog berichtete ich von der Begeisterung, die mich und viele andere Synodenteilnehmer während der Einkehrtage erfüllte. Die Begeisterung ist nach zwei weiteren Tagen einer gewissen Ernüchterung gewichen. Das war zu erwarten gewesen. Dass das aber so schnell gehen würde und dass bei diesem "Ausnüchterungsprozess" sogar Entgeisterung und Ärger am Anfang standen, hat dann doch auch mich "hoffnungslosen" Optimisten überrascht.
Diese Überraschung begann mit der Darstellung der Zwischenberichte der Arbeitsgruppen. Ich war sehr neugierig und habe mich wirklich darauf gefreut. Was dann aber "geliefert" wurde, fand ich, gelinde gesagt: enttäuschend!
Zwischenstand? Eher enttäuschend
Schöne Filmchen mit herrlichen Landschaften, hübschen Blumen, lachenden Gesichtern, betenden Menschen, alles sehr professionell gemacht, verbunden mit einer Vorstellung der Mitarbeitenden der jeweiligen Gruppe sind nett, sind aber eben keine Berichte, noch nicht einmal Zwischenberichte.
Aber es gibt ja auch noch Berichterstatter. Da kommt sicher noch etwas, dachte ich. Nur was dann kam, hatte ich nicht so erwartet. Einer der Relatoren teilt mit, dass die Arbeit seiner Gruppe an der Synode vorbei direkt mit einem römischen Dikasterium abgewickelt werde. Das wirkt auf jemanden, dem "berichtet" werden soll, nicht unbedingt zufriedenstellend. Manche Berichte anderer Berichterstatter haben darüber hinaus bei mir Anlass zur Vermutung gegeben, dass man hier gar keinen Zwischenstand mitgeteilt bekommen konnte, weil viele Gruppen ihre Arbeit noch gar nicht richtig begonnen haben. Das wäre zwar bedauerlich, aber kann ja noch besser werden.
Aber als dann schließlich hinsichtlich der Frage des Diakonats der Frau der zuständige Leiter des Dikasteriums verkündete, dass der Heilige Vater eigentlich schon klargemacht habe, dass es hierzu auf absehbare Zeit keine Entscheidung geben werde, ja sogar in dieser Frage bald ein offizielles Dokument des Glaubensdikasterium zu erwarten sei, fühlte ich mich schon irgendwie wie ein begossener Pudel. Denn dann braucht es ja auch keine Arbeitsgruppe zu diesem Thema. Als Teilnehmer einer Versammlung, die das Prinzip der Synodalität verwirklichen soll und den Auftrag hat, die Synodalität tiefer in alle Bereiche des kirchlichen Lebens zu implementieren, habe ich hier schon ein anderes Procedere erwartet. Und ich gebe zu: Ich war ziemlich angefressen – und zwar sowohl inhaltlich wie von der Art und Weise des Umgangs mit der Synodenversammlung.
Tröstlich fand ich es zumindest, dass ich mit dieser Gefühlslage nicht allein war. Das habe ich am nächsten Tag, als sich die sogenannten "Circoli Minori" an den runden Tischen zu ihren ersten Arbeitstreffen zusammenfinden, in manchen Pausengesprächen erfahren dürfen.
Auseinandersetzung wird von allen begrüßt
Überall wurde betont, dass die Diskussion über die unverzichtbare Rolle der Frau in der Kirche intensiv weitergeführt werden müsse. Und ich habe den Eindruck, dass viele in der Aula merken, dass man sich mit einem Festschreiben des Status quo durchaus dem Vorwurf einer männerzentrierten und reduktionistischen Anthropologie aussetzt. Deswegen wird auch von jenen, die gegen eine Teilhabe von Frauen am geweihten Dienstamt starke Vorbehalte hegen oder komplett dagegen sind, dennoch eine ernsthafte und theologisch fundierte Auseinandersetzung zu dieser Frage gutgeheißen. Immerhin.
In jedem Fall bemerke ich nicht nur in dieser Frage die Ernsthaftigkeit, mit denen zahlreiche Synodenteilnehmer sich in die Situation des Gegenüber hineinzudenken versuchen. Das bedeutet nicht, dass sie seine Vorstellungen und Überzeugungen übernehmen. Aber sie lassen sie gelten. Das stimmt mich dann doch wieder versöhnlicher und ein wenig hoffnungsvoll für die weiteren Wochen.
Ich bin jetzt also doch wieder auf die Berichte der Sprachgruppen gespannt, die an diesem Freitag angesetzt sind. Dabei kann ein nüchterner Realismus hilfreich sein. Denn die Fallhöhe meines Enttäuschungspotentials ist nicht mehr gar so hoch. Das ist doch auch schon etwas.
Synoden-Einkehrtage: Kein lautes Wort, kein Vorwurf der Häresie - Teil 2
Die zwei Einkehrtage sind vorüber. Sie sollten keine Vorbereitung auf die Synode, sondern integraler Teil der synodalen Versammlung sein, denn sie verdeutlichen noch einmal, dass es bei der Synodalität um ein geistliches Geschehen betender Menschen geht. Andernfalls wären wir hier "eine Hauptversammlung von Glaubensunternehmern", wie es der Generalsekretär der Synode, Kardinal Grech, am ersten Tag ausgedrückt hat.
Das war ein starkes Bild. Aber ebenfalls stark war das Bild des Netzes mit den vielen Fischen, das nicht zerreißen darf. Dieses Bild wählte der Dominikaner Timothy Radcliffe am Dienstag zur Frage, wie wir in einer global gewordenen Kirche die unterschiedlichen Kulturen, die uns mit ihren Wertvorstellungen und anthropologischen Narrativen prägen, zusammenführen können, oder besser: wie bei aller kulturellen Unterschiedlichkeit die Einheit der Kirche bewahrt werden kann. Darüber haben wir auch am ersten Tag schon gesprochen: Unterschiedliche Kulturen machen das gegenseitige Verständnis nicht einfacher. Das zeigte sich an zwei ganz konkreten Themen, die in unterschiedlichen kulturellen Kontexten jeweils völlig verschiedene Reaktionen hervorrufen: Polygamie und Homosexualität. Was in einem afrikanisch geprägten Kulturraum als wertvoll und zutiefst menschlich angesehen werde, stoße in einem westeuropäisch-nordamerikanischen Kontext auf völliges Unverständnis und auf energische Ablehnung. Und analog gelte umgekehrt. Verantwortlich seien dafür nicht ideologische Frontstellungen, sondern kulturelle und anthropologische Unterschiede, die man wahrnehmen und denen man sich stellen müsse.
Ich muss sagen: Selten habe ich über solche auch bei uns mitunter sehr kontrovers diskutierten Themen so geschwisterlich, wertschätzend und gut sprechen können. Kein lautes Wort, kein Vorwurf der Häresie, sondern dankbares Erfahren, dass man sich die Unterschiede beschreiben kann, ohne sie wegzureden, ohne sie erklären und klären zu müssen und ohne die zelotische Absicht, den anderen unbedingt von der eigenen Position überzeugen zu wollen. Wenn Synodalität auch darin besteht, so aufeinander zu hören, dann habe ich Montag und gestern beim "Gespräch im Heiligen Geist" wirklich diesen Geist spüren dürfen, der Unterschiedliches gelten lässt und das Gegenüber auch dann als Bruder und Schwester im Glauben respektiert, wenn man ganz anderer Meinung ist. Die große Frage wird sein, wie aus der Erfahrung solcher Gespräche wirklich ein Schlussdokument entstehen kann, dass diesen "geschwisterlichen Spannungsbogen", wie ich es nennen würde, aufrecht hält und zu einer tragfähigen Brücke zwischen den Kulturen in unserer einen Kirche führt.
Nächste Synoden-Etappe: Alles andere als "leichtes Gepäck" - Teil 1
Am Samstagabend bin ich in Rom angekommen. Für die kommenden vier Wochen werde ich wieder in einer Sondersituation leben, die recht wenig mit dem zu tun, was sonst meinen Alltag prägt. Mit Hunderten von Bischöfen und Kardinälen, etlichen anderen Synodenteilnehmerinnen und -teilnehmern, theologischen Beraterinnen und Beratern, immer begleitet von einer doch noch interessierten Öffentlichkeit werden wir wie im vergangenen Jahr wieder an runden Tischen sitzen, einander zuhören, viel miteinander sprechen, um konkrete Formulierungen bei der Abfassung unserer jeweiligen Berichte ringen und daneben auch noch ein ziemlich dichtes und anspruchsvolles Programm mit diversen anderen Treffen und Veranstaltungen absolvieren. Diese Wochen werden für keinen der Teilnehmenden ein Zuckerschlecken sein, sondern harte Arbeit.
Man glaubt übrigens gar nicht, was man alles mitnimmt, wenn man vier Wochen unterwegs ist! "Leichtes Gepäck" sieht anders aus! Ich habe nicht nur an Koffern und Rücksäcken mit Kleidung, Waschzeug und allem, was man sonst noch braucht oder zu brauchen meint, zu schleppen. Auch ein paar Aktentaschen mit den Unterlagen für die Synode müssen mit. Auch wenn mittlerweile vieles digital zugänglich ist, habe ich eben doch noch das ein oder andere Dokument in Papierform eingepackt, in das ich etwas hineingeschrieben, worin ich etwas markiert habe und das ich gerne ohne großes Suchen gleich zur Hand haben möchte.
Neben diesem physischen Gepäck bringe ich aber noch vieles mehr zu dieser letzten Etappe der Weltsynode nach Rom mit. Das sind die Erfahrungen der vergangenen Jahre: die Erinnerungen an die Verhandlungen der kontinentalen Zusammenkunft in Prag und das, was wir im vergangenen Jahr im Oktober bereits erlebt haben. Es sind die "Gespräche im Heiligen Geist", die nicht nur die Atmosphäre in der Synodenaula geprägt haben, sondern mir und vielen anderen einen Weg gezeigt haben, wie man in der Kirche und vielleicht auch darüber hinaus wertschätzend und nicht sofort konfrontativ auch mit divergierenden Meinungen und Positionen umgehen kann.
Werden wir in den kommenden Wochen zu all diesen Fragen Antworten finden?
Hinzu kommt das, was wir in Deutschland in den vergangenen Jahren mit dem Synodalen Weg angestoßen und thematisiert haben. Das kann ich nicht einfach zu Hause lassen. Denn wir Deutsche werden von vielen Mitgliedern der Synode immer wieder darauf angesprochen. Neugierde ist zu spüren, aber auch große Sorge, auch viel Skepsis. Hier gilt es, mutig das Gespräch zu suchen und jedem Rede und Antwort zu stehen. Nur so können Verständnis wachsen und Ressentiments abgebaut werden.
Und schließlich nehme ich auch die Hoffnungen und Erwartungen, aber auch die Ängste vieler Menschen mit nach Rom, die uns Teilnehmenden der Synode geschrieben und sich in der Öffentlichkeit zu Wort gemeldet haben. Viele fordern uns auf, keine Maulkörbe zu akzeptieren, sondern mutig die "heißen Eisen" anzupacken und kein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn es beispielsweise um die Rechte der Frauen und ihre Zulassung zu Weiheämtern in der Kirche geht. Andere hingegen fordern von uns genau das Gegenteil: nicht dem "woken Mainstream der schleichenden Protestantisierung des Katholischen" nachzugeben, wie es in einem Schreiben an mich formuliert gewesen ist. Ähnlich unterschiedliche Erwartungen wurden an uns auch im Blick auf Menschen formuliert, die sich von der Kirche marginalisiert und in ihren Lebensentwürfen diskriminiert fühlen: Da appellieren die einen, uns stark zu machen für die Akzeptanz queerer Menschen in der Kirche, die anderen ermahnen uns, die Morallehre der Kirche nicht zu verraten, sondern auch weiterhin "Sünde zu nennen, was Sünde sei". Auch bei der Frage echter Teilhabe aller bei Entscheidungsprozessen in der Kirche gehen die Erwartungen an die Synodenteilnehmer auseinander. Man müsse hier die Strukturen der Kirche endlich demokratisieren und vielleicht darüber nachdenken, auch Ämter nur auf Zeit zu übertragen. Denn nur so sei man vor klerikalistischem Machtmissbrauch und hinsichtlich des Verbrechens des sexualisierten Missbrauchs und seiner jahrzehntelangen systematischen Vertuschung in der Lage, glaubwürdige Präventions- und Sanktionsmechanismen zu entwickeln. Dagegen betonen andere, dass die Sakramentalität des Dienstamtes und auch die hierarchische Struktur der Kirche gerade zum Proprium des Katholischen zählten und man darum das Übel des Klerikalismus und die verbrecherische Wunde des Missbrauchs in der Kirche anders bekämpfen müsse als durch reines Schielen auf Strukturen, was schließlich auch nur wieder eine Frage der Macht sei – wir kennen ja all diese Diskussionen zur Genüge.
Um ehrlich zu sein. Von der Fülle der Erwartungen und Forderungen, die an uns als Teilnehmende und an diese Synode als solcher herangetragen werden, fühle ich mich fast überfordert. Aber sei's drum: All das habe ich mit nach Rom zur Synode mitgebracht. Ich konnte es nicht daheimlassen. Es sind die Themen, die das Leben der Kirche nicht nur bei uns, sondern weltweit seit Jahren prägen und uns auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auf den Fingern brennen werden.
Werden wir in den kommenden Wochen zu all diesen Fragen Antworten finden? Ich bezweifle das. Und ich glaube, die Verantwortlichen der Synode hatten diese Zweifel ebenfalls, als sie die zehn Arbeitsgruppen einsetzten, deren Zwischenberichte wir während der Synode erhalten werde. Zu groß war wohl die Sorge, dass an der Behandlung einzelner "heißer" Themen die ganze Versammlung zerbrechen könnte und damit das eigentliche Anliegen der Synode, nämlich für die kommenden Jahrzehnte den Rahmen für die Entscheidungsfindung in einer global gewordenen und diversen Kirche abzustecken, verloren gehen könnte.
Ich denke aber, wenn wir weltkirchlich und im Konsens die Punkte beschließen, die im "Instrumentum Laboris" benannt werden, dann war diese synodale Versammlung wirklich erfolgreich. Dazu gehören für mich Transparenz, Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen kirchlicher Entscheidungen, echte Beteiligung und Mitverantwortung der Laien – Männer und (!) Frauen – beim Zustandekommen von Entscheidungen in der Kirche, den Kampf gegen einen selbstreferenziellen Klerikalismus, ernsthaftes Bemühen um eine Veränderung der Priesterausbildung, Offenheit für neue Ämter auch für Frauen, glaubwürdiges Bemühen, niemanden mehr auszugrenzen, ein vertieftes ökumenisches Zeugnisgeben und vor allem ein neues – katholisches – Verständnis von Synodalität im Sinne eines geistlichen Miteinanders aller Getaufter statt eines Gegenüber von Laien und Klerikern und eines vertieften Bewusstseins, dass jedes Amt in der Kirche zuerst und vor allem Dienst und nicht Privileg ist.
Und bei all diesen Themen können wir aus unseren konkreten deutschen Erfahrungen sehr viel einbringen. Denn über viele dieser Fragen wurde und wird in Deutschland seit Jahren sehr intensiv nachgedacht. Ob das allerdings reicht, um die Erwartungen, die viele unserer Gläubigen im Vorfeld dieser Synode formuliert haben, zu erfüllen, weiß ich nicht. Aber ich bin davon überzeugt: Gottes Geist hat einen langen Atem.